Welche Macht uns ans Alkoholregal zieht - frei nach Holly Whitaker
Heute an meinem Tag 50 (Yeah!) möchte ich euch erzählen, welche Aha-Erkenntnisse mir bei meinen ersten Schritten in die Nüchternheit geholfen haben. Neben dem Programm "Ohne Alkohol mit Nathalie" waren es diverse Bücher. Unter anderem „Quit like a woman“ von Holly Whitaker. Das gibt’s inzwischen auch auf Deutsch.
Dass man mit übermäßigen Alkoholkonsum das Belohnungssystem im Gehirn mit Dopamin überflutet und somit nicht mehr in der Lage ist, das Glückshormon durch die normalen schönen Dinge des Lebens zu produzieren, habe ich mit Hilfe des OAMN-30-Tage-Programms gelernt. Schon mal Schocking und Aha genug. Denkt man.
Jetzt kommt Hollys Buch ins Spiel. Da ich die englische Ausgabe gelesen habe, habe ich einen Schlüsselabsatz für mich als Therapieaufgabe übersetzt und möchte diesen mit euch teilen.
Allerdings sehr frei nach Schnauze.
Der für mich entscheidende Absatz beginnt so:
Das menschliche Gehirn besteht aus drei Teilen: Triune Brain, deutsch: dreieiniges Gehirn. (Anmerkung - Laut Wikipedia: Vereinfachtes Gehirnmodell von Paul D. McLean. Aber wir sind ja fast alle keine GehirnforscherInnen, somit ist dieses Modell für mich sehr verständlich)
Laut Paul D. sind die ersten Komponenten in seinem Modell der Hirnstamm und das Zwischenhirn (protoreptilischen Gehirn). Von mir im Folgenden der „Neandertaler-Teil-in-uns“ genannt, weil es sich um den „niedrigsten“ und den stammesgeschichtlich ältesten Teil des Gehirns handelt. Hier lebt unser Flucht- und Überlebensinstinkt. Und der wird gleich sehr wichtig für uns.
Erwachsene Menschen mit einem voll entwickelten Neocortex operieren mit ihrem Gehirn von oben nach unten. Wie in einer Art Hierarchie. Also vom „vernünftigen Teil“ (Necortex) hinunter zum Zwischenhirn. Hier sitzt mein Neandertaler mit seinem ausgeprägten Fluchtinstinkt, den wir heute zwar noch brauchen, der uns aber dummerweise auch trinken lässt, obwohl wir das gar nicht wollen. (Dazu gleich mehr).
Unter normalen Umständen bedeutet diese Hierarchie, also von „von Oben nach Unten“, dass man sich nicht gegenseitig anrempelt (Menschen in Supermärkten mal ausgeschlossen), oder Unstimmigkeiten mit Fäusten austrägt. So sauer und wütend man auch sein mag. Das liegt daran, dass unser moralisches, rationales Denkgehirn (Neocortex) die Kontrolle über den „Neandertaler“ in uns übernimmt. Dass nach irgendwelchen Fußballspielen besoffene Hooligans gegenseitig auf sich ein dreschen, zeigt, wie sehr der „Neandertaler“ unter Alkoholeinfluss die Kontrolle über den jeweiligen Homo Sapiens übernimmt. Krass, oder?
Was hat das mit uns zu tun? Faszinierend viel, wie ich finde. Im Nocortex, nennen wir ihn noch mal den „vernünftigen Teil“, und besonders im Frontallappen der Großhirnrinde (Prefrontal Cortex) liegen die Willenskraft, das Urteilsvermögen, Moral, soziale Fähigkeiten und viele andere Funktionen. Bei Menschen mit einem Alkoholproblem dreht sich der Mechanismus um. Also, bei uns "Suchtis" hat der „Neandertaler“ die Macht über den Necortex, also den „vernünftigen Teil“, im Gehirn übernommen. Das hat verschiedenen Gründe. Der Frontallappen verliert bei Alkoholmissbrauch an Größe und Volumen. Stellt ihn euch vor wie einen Muskel. Dadurch geht der Teil in unserem Gehirn, in dem z. B. die Willenskraft sitzt, immer mehr offline und das Zwischenhirn, in dem der Neandertaler sitzt, online. Der kann aber dummerweise nur für die nächsten 15 Sekunden denken, was zu Urzeiten überlebenswichtig war, wenn ein Tiger angreift und man blitzschnell zwischen Flucht oder Kampf entscheiden musste. Dieser Teil ist zwar im entscheidenden Augenblick überlebenswichtig, ist ansonsten nicht besonders helle und hat mit unserer Zukunft nix am Hut.
Und jetzt kommen wir ins Spiel. Habt ihr euch auch oft gefragt, warum ihr euch nach einem schlimmen Kater vorgenommen habt, nie mehr zu trinken, um dann doch am selben Abend mit einer Flasche Wein an der Supermarktkasse anzustehen? Die Entscheidung, diese Flasche zu kaufen, passiert in den besagten 15 Sekunden, die beim Neanderthaler über Leben und Tod entschieden haben. Bevor ich diesen Part in Hollys Buch gelesen hatte, nannte ich den Fingerschnipp, der meine Entscheidung nicht zu trinken, in Sekundenschnelle umswitchte und mich zur Flasche greifen lies, die „Unsichtbare Macht“. Heute nenne ich diese jetzt absolut einzuordnenden 15 Sekunden, in denen meine Suchtstimme zu mir spricht, den Neandertaler in mir, ohne ihm zu Nahe treten zu möchten. Ohne unsere Vorfahren würde es uns nicht geben. Trotzdem möchte ich mir von dem nix mehr sagen lassen. Unser Gehirn hat sich ja nun mal weiterentwickelt. Wollen wir tatsächlich diese Entwicklung durch Alkohol aushebeln? Ich nicht mehr. Danke Holly, für die diese Erkenntnis.
#alkohol #sucht #hollywhitaker
🤔 Hauptsache das lässt sich auch wieder rückgängig machen… 😅 Aber gut erklärt.
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