One for the Road
One for the Road
Zu Vino sagt Mark nie No. Voll wie eine Haubitze nimmt er“ One for the Road“ allzu wörtlich und wird prompt von der Polizei erwischt. Ohne Diskussion mit dem Beamten geht’s natürlich nicht: „Ich hab‘ doch „nur“ umgeparkt, hicks“. Da hilft kein Palaver, der Führerschein ist weg. Mark ist ein funktionaler Alkoholiker, hat einen anspruchsvollen Job als Bauleiter, verpasst hier und da zwar die ersten Termine, ist aber ansonsten zuverlässig. Er ist ein echter Sympathiebolzen. Jeder mag ihn. Auch die Kinozuschauer*Innen möchten diesen mit unschuldigem Dackelblick aus der Wäsche schauenden Knuddel in den Arm nehmen und ihn einmal kräftig durchschütteln. Denn Marks unkontrolliertes Trinkverhalten ist schon längst nicht mehr zu übersehen und macht seinen Kollegen und seinen besten Freunden schon lange Sorgen. Ihm natürlich nicht. Kennen wir. Die ersten Ergebnisse des Tests „Habe ich ein Alkoholproblem“ werden nicht nur gefeiert, sondern so richtig schön ins Lächerliche gezogen.
Eine der Test-Fragen (Filmzitat): "'Wenn Sie einmal anfangen zu trinken, können Sie dann nicht mehr aufhören? Selbst wenn Sie schon längst betrunken sind?' Marks bester Freund Nadim: „Das bist du. Das ist doch sogar die Definition von Mark."
Hahahaha, es ist doch alles gut so. Hoch die Tassen, schenk‘ noch mal nach, Yeah. Kennen wir auch. Erst als Mark volltrunken in eine extrem peinliche Situation gerät, traut sich Nadim, ihm zu sagen, dass es sehr auffällig geworden ist, dass er keinen Abend mehr ohne Totalabsturz beendet. Noch sichtlich erschüttert von der Peinlichkeit, aber immer noch uneinsichtig über das Ausmaß seiner Sucht, nimmt er die Wette an, die Nadim ihm vorschlägt: 30 Tage ohne Alkohol. Eigentlich ein perfektes Timing, denn der MPU-Test steht an. Diesen mit Promille im Blut anzutreten, ist nämlich keine gute Idee. Selbstredend, dass Mark bei dieser Mission keine Gedanken daran verschwendet, wo die Wurzel des Übels vergraben liegt.
Filmzitat: "Guten Morgen, ich bin Verkehrspsychologe und mein Name ist Doktor Blau. Sie dürfen gerne darüber schmunzeln“. Mark: „Ganz ehrlich, ich hatte schon geparkt, keinem ist was passiert, die Welt hat sich weitergedreht und ich muss hier in dem Kurs sitzen."Doktor Blau: "Sie empfinden den Kurs also als Bestrafung?" Der ironisch dreinblickende Mark: "Nein, ich freue mich wirklich hier zu sein." Neben Mark sitzt Helena als perfekt passender Sidekick, herrlich süffisant gespielt von Everybody's Darling Nora Tschirner. Lieben wir.
Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg hat dem Grimme-Preisträger Frederick Lau diese Rolle quasi auf den Leib geschrieben. Er spielt so gut, dass man fast glauben möchte, er würde sich selbst verkörpern. Ziegenbalg hat im Vorfeld richtig gut recherchiert und sich Insiderwissen angeeignet, denn dieser Film bringt das Thema Alkoholsucht, die Stellung der Droge Alkohol in unserer Gesellschaft und die Meisterleistung, davon wieder loszukommen, messerscharf auf den Punkt. Kleiner Kritikpunkt: Die MPU-Teilnehmer*Innen kommen arg klischeehaft daher. Aber Schwamm drüber.
Regisseur Markus Goller hat das Drehbuch großartig in Szene gesetzt. „One for the Road“ ist die dritte gemeinsame Arbeit des Erfolgsduos. Nach zwei Roadmovies („Friendship“ und „25 km/h“)geht’s jetzt auf die nächste Straße, aber notgedrungen auf dem Fahrrad durch Berlin. Viel spannender aber ist die Reise ins tiefste Innere der Hauptfigur.
Ziegenbalg und Goller haben es geschafft, ein heikles Thema höchst authentisch und nicht allzu bierernst (oops) auf die Leinwand zu bringen. Bleibt jetzt noch die Frage, ob tatsächlich genug Besucher*Innen in die Kinos strömen. Wenn's um die liebste Droge der Deutschen geht, ist nämlich Schluss mit Lustig. Wer lässt sich schon gern den Spiegel vorhalten? Am Ende müsste man noch sein eigenes Trinkverhalten unter die Lupe nehmen.
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